Über das Radeln in Zeiten von Wetterkapriolen in einer Kommune, die gerne fahrradfreundlich sein will. Aber das schlechte Wetter hat auch Vorteile für den Radverkehr. Und: helfen Radfürsten wirklich weiter ? Wäre ein Napoleon Bonaparte für den Radverkehr nicht besser ? Wir starten mit einer neuen Interviewreihe mit Heidelberger BürgerInnen, die viel mit dem Rad unterwegs sind. Heute: 2 Berufsradlerinnen im Interview.
Interview mit
Claudia Köber, Altenpflegerin, 58 Jahre, seit fast 20 Jahren als ambulante Pflegedienstleiterin beruflich und privat ausschließlich mit dem Rad in Heidelberg unterwegs. Sie arbeitet in der neu gegründeten Bürgerinitiative ökologische Mobilität in Heidelberg mit.
Asta Wünsche, Krankenschwester, Jahre, seit über 2 Jahren täglich ebenfalls in der ambulanten Pflege ausschließlich mit dem Rad unterwegs. Sie ist Sprecherin der neu gegründeten Bürgerinitiative ökologische Mobilität in Heidelberg.
Wie lief es für Euch Berufsradlerinnen in Heidelberg in den letzen Wochen ?
Asta Wünsche: Letzte Woche hatte es nicht geregnet und ich brauchte keinen Neonprenanzug bei meiner Arbeitgeberin zu beantragen. Während der Regenzeit hatten wir auf einmal sehr viel Patz auf den „überbreiten Radwegen“. Wir wussten gar nicht so recht, was wir mit dem vielen Platz anfangen sollten.
Claudia Köber: Es ist wunderschön, dass nach der langen Regenzeit die Sonne endlich wieder scheint. Da macht Radfahren noch mehr Spaß.
Die ausgiebige Regenperiode scheint ja hoffentlich vorbei zu sein. Was hat sie Euch als berufliche Alltagsradlerinnen in Heidelberg gelehrt ?
Claudia Köber: Mit dem Sonnenschein kamen aber auch die vielen rücksichtslosen, rechtsüberholenden RadlerInnen wieder auf die Radwege zurück.
Asta Wünsche: Wir kennen nun sämtlich Regenwassersammelbecken auf Heidelberger Radwegen. Wir wissen nun genau, wo und wann wir die daher rasenden Autos genau beobachten und die Beine hochziehen müssen, um nicht vollends nass gespritzt zu werden. Wenn die Stadt will, stellen wir ihr gerne ein Kataster der Regenwassersammelpunkte auf Heidelberger Radwegen zusammen. Die zu beseitigen, ist mindestens genauso wichtig wie die Löcher auf den Autostraßen.
Die Sonne scheint ja nun häufiger, der Sommer kommt hoffentlich bald wieder. Geht es Euch dann besser ?
Asta Wünsche: Nachdem wir bei 38 Grad durchs schwitzen nass geworden sind, freuen wir uns auf den nächsten Regenguss, der auch bald wieder kommen wird.
Claudia Köber: Beim sehr heissen Wetter in der letzten Woche haben wir wieder sehr deutlich gespürt, wie angenehmer es ist in einer Baumallee zu radeln, bspw. in der Steubenstraße, in der Schillerstraße oder auch in der Friedrich-Ebert-Anlage als in baumlosen Straßen. Wenn man in eine solche Straße einbiegt, merkt man als Radlerin ganz deutlich, dass dort ein angenehmeres Klima herrscht.
Napoleon Bonaparte ließ in Europa viele schöne Alleen anlegen, um seine Marschkolonnen vor der Sonne zu schützen. Brauchen wir Heidelberg also einen Napoleon für RadfahrerInnen ?
Claudia Köber: So einen könnten wir schon brauchen. Allerdings ohne kriegerische Absichten.
Asta Wünsche: Das sehe ich genauso. Denn es besteht ja leider die Tendenz, vorhandene Bäume für Bauprojekte niederzumetzeln. Siehe Bahnhofstraße. Da sollte man wirklich jemanden haben, der neue Alleen in der Stadt anlegt. Wenn`s sein muss, auch einen Napoleon, der allerdings Radfahrerinteressen durchsetzt.
Heidelbergs neueste Imagekampagne sucht aber keinen Napoleon sondern einen Radfürsten. Gemeint sind damit HeidelbergerInnen, die gute Ideen für die Radkultur in Heidelberg haben. Ein ernsthafter Versuch der Stadt, um den Radverkehr zu verbessern ?
Asta Wünsche: Das wäre erst dann der Fall, wenn die vielen bestehenden und bekannten Schwachpunkte abgebaut sind. Ein durchsetzungsstarker Stadtrat wäre hier sicherlich besser als ein schwacher Radfürst, der uns künftig auf Plakaten als Fürst Blendax entgegen lächelt.
Claudia Köber: Es erinnert mich an die Kampagne, Klima sucht Schutz in Heidelberg. Das sind auch viele Plakate mit guten Sprüchen entstanden. Wenn man dann die konkrete Politik betrachtet, hat das leider immer noch zu wenig mit den Wünschen der befragten Bürger zu tun. Viele Bäume sind seither gefällt worden und werden immer noch gefällt. Flächen werden nachversiegelt. Unnötiger Freizeitverkehr wird durch relativ sinnfreie tourismusfördernde Events in der Heidelberger Altstadt, durch verkaufsoffene Sonntage, Nächte des langen Einkaufs usw. gesteigert usw. usf. Ich befürchte, diese Raddenkmalkampagne geht irgendwo in dieselbe Richtung.
Die Stadt Heidelberg sieht den hohen binnenstädtischen Radanteil in Heidelberg ( ca. 30 %) als ein Erfolg ihrer langjährigen Bemühungen um den Radverkehr in der Stadt. (siehe RNZ 17.6. 2013). Hat sich die Stadtverwaltung jetzt schon ein Raddenkmal verdient ?
Claudia Köber: Die vielen RadlerInnen in Heidelberg sind doch eher unterwegs trotz der schlechten und nicht wegen eines guten Radnetzes. Bei ca. 18.000 StudentInnen in Heidelberg ist es doch logisch, dass mehr Rad gefahren wird als anderswo, egal, wie die Situation auf den Radwegen ist. Für einen Platz auf dem Raddenkmal reicht es leider immer noch nicht.
Der Gemeinderat hat im Rahmen der Straßenbahnplanung im Pfaffengrund Radwege zugelassen, die tw. nur 1,60 Meter breit sind. Haben sich die Gemeinderäte damit ein “Raddenkmal” verdient ?
Asta Wünsche: Die geplanten Radwege sind zu schmal, das fördert eher das Rechtsüberholen auf dem Bürgersteig, nicht aber sicheres radfahren in der Stadt.
Claudia Köber: Das macht einen ratlos, für ein Raddenkmal qualifiziert sich der Gemeinderat damit nicht , wenn das wirklich so gebaut werden würde. Falls wirklich mal die vielen, recht schnellen Pedelecs unterwegs sind als Teil des gewünschten innerstädtischen E-Mobil Verkehrs, dann wären ja solch schmale Radwegen mehr als gefährlich. Oder denken wir mal an die immer häufiger gesichteten Fahrräder mit Kinderanhänger. Da sind doch mindestens 2,50 Meter breite Radwege notwendig . Wir können aber noch Hoffnung für das Raddenkmal für den Gemeinderat haben: Der Gemeinderat hat -Gottseidank- auch eine nachholende Bürgerbeteiligung beschlossen. Es kann sich also noch etwas bewegen.
Was kann in der kommenden Woche besser werden ?
Claudia Köber: Dass wieder mehr über die Ozonbelastung und die Feinstaubbelastung bei steigenden Temperaturen geredet wird. Wenn man mit dem Rad an einer Ampel steht fängt es deutlich im Hals an zu kratzen. Das müsste auch mal wieder zum Thema gemacht werden.
Und: Was natürlich immer besser werden kann, ist die gegenseitige Rücksichtsnahme sämtlicher Verkehrsteilnehmer. Und einen deutlich reduzierten Autoverkehr. Und, das allerwichtigste: Tempo 30 in der Stadt.
Wenn es einen Radfürsten in der Stadtverwaltung gäbe, der auch schnelle Veränderungen durchsetzen kann: Was würdet ihr Euch in der nächsten Woche als Sofortmaßnahme wünschen ?
Asta Wünsche: Den Radweg in der Sofienstraße könnte er mit einfachen Mitteln verbreitern. Vor allem an der Ostseite, der ist doch ziemlich schmal und sehr gefährlich. Da parken immer viele Anlieferer. Mit ein bisschen Farbe könnte man doch recht schnell eine der beiden Autospuren in einen schönen breiten Radweg verwandeln.
Claudia Köber: Die kleine Plöck wird zunehmend von Autofahrern benutzt, um von der Sofienstraße zur Rohrbacher Straße oder umgekehrt zu kommen. Die Autos biegen dann tlw. mit viel Schmackes ab. Das ist neu, das gab es vor ein paar Jahren nicht. Und das ist wirklich sehr gefährlich, weil da sehr viele Radler unterwegs sind, die zudem beim Einbiegen in die Rohrbacherstraße mit einer äußerst unübersichtlichen, gefährlichen Lage zu kämpfen haben. Die Durchfahrt für Autos in der kleinen Plöck sollte mit sichtbaren Barrieren verhindert werden.
Letzte Kommentare