(wg) Christine Weber, 50 Jahre, Alltagsradlerin ohne eigenes Auto. Sie bewältigt ihre innerstädtischen Wege beruflich und privat ausschließlich mit dem Fahrrad. Auch den Weg von der hinteren Altstadt zu ihrer Arbeitsstelle in die Waldparkschule auf dem Boxberg, wo sie als Hauptschullehrerin tätig ist. Hin und wieder nimmt sie auch die Annehmlichkeit des Car-Sharings in Anspruch.
Wie lief es mit dem Rad in Heidelberg in der letzen Woche ?
Natürlich sehr gut, vor allem wegen dem Wetter. Eine angenehme Wohlfühltemperatur machte das Radfahren morgens sehr angenehm. Das Vogelgezwitscher ist dominanter als der Verkehrslärm, wenn ich kurz vor 7 Uhr mit dem Mountainbike von der Altstadt über Rohrbach und dem Kühlen Grund zu meiner Arbeitsstätte in die Waldparkschule auf den Boxberg radle. Und: ich fahre sehr gern mit dem Rad in Heidelberg, das ist viel relaxter als bspw. in Mannheim oder Ludwigshafen, wo ich auch hin und wieder beruflich zu tun habe. Heidelberg ist im Vergleich zu Mannheim eine fahrradfreundliche Stadt. Autofahrer sind hier rücksichtsvoller, in Mannheim wird bspw. viel schneller gefahren.
Was war schlecht in letzer Woche ?
Am Sonntagvormittag auf der Neuenheimer Landstraße kam mir ein Rennradfahrer mit einem Affenzahn auf dem sogenannten Gehradweg entgegen, der in beiden Richtungen befahren werden kann, obwohl er eigentlich schon für eine Richtung viel zu schmal ist. Wir beide stiegen in die Eisen und verhinderten so knapp einen Crash. Dieses sogenannte Radwegeangebot am Neckarufer verführt zur Annahme, dass man als Radfahrer sicher unterwegs ist.
Gäbe es eine Abhilfe ? Was wäre Dein dringender Sofortwunsch an den Heidelberger Radfürsten ?
Das Radwegeangebot aufheben, Schilder abschrauben, Radverkehr ausschließlich auf die Straße verlegen, also auf die Neuenheimer Landstraße und konsequent Tempokontrollen durchführen, damit die Autofahrer dort das Tempolimit 30 auch einhalten.
Was ist besonders gut in Heidelberg ?
Es gibt viele Radwege in Heidelberg. Und besonders gut ist es, dass man meistens gegen die Fahrtrichtung in Einbahnstraßen fahren darf. Das spart viele Umwege. Die vielen RadfahrerInnen in Heidelberg sorgen alleine schon als Masse dafür, dass der Autoverkehr mehr Rücksicht nehmen muss. Natürlich ist alles verbesserungswürdig: breitere Radwege, bessere Oberflächen usw.
Also ist Heidelberg bestens prädestiniert, einen Platz auf dem Raddenkmal zu bekommen ?
Kann ich nicht beantworten. Aber ich fahre gerne Fahrrad in Heidelberg. Sonst säße ich nicht darauf. Wenn es mir zu gefährlich und zu nervig wäre, würde ich auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen. Das ist aber nicht der Fall. Radfahren aus ökologischem Zwang unter jedem Preis wäre nicht mein Ding. Ich bin ein freiheitsliebender Mensch. Von ökodiktatorischen Maßnahmen halte ich überhaupt nichts.
Zur Zeit lächeln einem von Heidelbergs Litfasssäulen nette, gutaussehende junge Menschen entgegen, die einem mit frohen Botschaften zum Radfahren verführen wollen. Gesucht wird der oder die RadfürstIn für Heidelberg. Das ist doch eine gute Idee, um Menschen fürs Radfahren zu begeistern ?
Ich kann mit dieser Kampagne überhaupt nichts anfangen. Das wieder einmal ein Promotionsgag auf dem Niveau von RTL 2. Weder würde ich mich ablichten lassen noch mich an der Abstimmung beteiligen, wer RadfürstIn werden soll. Für die Kosten dieser Aktion -wie man hört, soll der ganze Spass der Stadt Heidelberg 70.000 Euro kosten- könnte man Besseres anfangen. Ich denke dabei an meine Hauptschüler. Mit dem Geld hätte man ihnen bspw. das Angebot machen können, dass sie statt eines subventionierten Max-Tickets zu kaufen, sie ab sofort ein Rad geschenkt bekommen mit dem sie ihre täglichen Wege, also auch zur Schule, zurücklegen. Wer sich darauf einlässt, hätte ja genauso auf Plakaten abgebildet werden können. Mit dem Geld hätte man locker mal 140 Jugendliche motivieren können ihr Mobilitätsverhalten zu modifizieren. So eine Aktion wäre übrigens auch grundsätzlich eine Alternative zum Maxx-Ticket. So gut wie alle Schüler der Waldparkschule fahren ausschließlich mit dem ÖPNV, einige davon schwarz.
Es gibt viele Beschwerden über RadfahrerInnen in Heidelberg, die sich an gar keine Regeln halten. Sie sind als Kampfradler gefürchtet, weil sie sich selbst und andere gefährden. Wäre es nicht mal an der Zeit, hier einzugreifen ?
Den Begriff Kampfradler finde ich komplett unangebracht. Auch ich nehme mir als Radfahrerin die Freiheit heraus, situationsangebracht den schnellsten Weg zu wählen.
Das heißt also, Du gehörst zu jenen, die gnadenlos rechts überholen, auf Gehwegen fahren, sich auf der falschen Seite bei Ampelübergängen aufstellen und dadurch ordnungsbewußten und sicherheitsorientierten RadlerInnen das Leben schwer machen ?
Ich glaube nicht, dass ich irgendjemandem das Leben schwer mache, auch bin ich nicht gnadenlos. Ich pflege einen kommunikativen Fahrradstil, ich suche stets den Blickkontakt zu meinen MitradlerInnen und signalisiere ihnen, wie ich meinen schnellsten und souveränsten Weg durch das tägliche Fahrradgetümmel finden will. Und das Getümmel ist ja manchmal nicht unerheblich. Ich bin dabei durchaus rücksichtsvoll und sicherheitsbewusst. Auf meinem täglichen Schulweg quere ich bspw. den Übergang am Adenauerplatz zur Gaisbergstraße. Da ist es die Regel, dass auf beiden Seiten eine geschlossene Front von RadlerInnen steht, die queren wollen. Die Situation ordnet sich so, wie das Schwarmverhalten der Sardinen: der eine weicht nach links, der andere nach rechts aus, man lächelt sich zu, schaut sich in die Augen und kommuniziert. Und es funktioniert. Das ist doch besser, als wenn zwei verbissen drein schauende Radlergruppen aufeinander zu fahren und jeder nur darauf achtet, dass er sein Recht bekommt. Ich bin eine Verfechterin der Schwarmtheorie. Der Schwarm bewegt sich am effizientesten auf eine unreglementierte Weise und ist dabei schnell, sicher und situationsadäquat.
Mit diesem kommunikativen Radstil hättest Du auch Deinen Beinahunfall am Neckarufer vermeiden können ?
Wahrscheinlich nicht, weil dieser Radweg eine komplette Fehlplanung darstellt, durch die Sichtblockade der Bäume – ich habe nichts gegen Bäume – der viel zu geringen Radwegbreite sowie durch die gemeinsame Nutzung mit Fußgängern. Es wird hier eine vermeintliche Sicherheit suggeriert, die faktisch nicht vorhanden ist.
Wie bist Du mit der Situation für RadlerInnen in Heidelberg generell zufrieden ?
Ich fahre nicht ungern Rad in Heidelberg, aber es ist noch vieles verbesserungswürdig. Viele Radwege sind in Heidelberg einfach zu eng. Und jeder, der kein Auto fährt, wird auf einen Bruchteil des Platzbedarfs eines Autos im öffentlichen Raum reduziert. Und das ist nicht ok. Wenn man noch dazu nimmt, wieviel Platz parkende Autos in Anspruch nehmen, dann ist das Platzangebot, der für einen Radfahrer oder Fußgänger vorgesehen ist, absolut inakzeptabel. Híer muss ein Umdenken stattfinden. Diese Fragen zu beantworten, wäre eine Aufgabe einer Pro-Rad Imagekampagne.
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