Kommentar zum sogenannten STRABAG – Kompromiss in der GR-Sitzung am 27.7.2011
Augen zu und durch….. ?
Der sonst so streitlustige Gemeinderat hat unisono, allerdings ohne Bunte Linke, gemeinsam mit der Stadtverwaltung den sogenannten STRABAG–Kompromiss als ein sehr gutes Ergebnis gelobt. Bei soviel Einigkeit lohnt es sich schon, nochmals genauer hinzuschauen, was eigentlich beim Kompromiss herauskam. Denn jene, die sich nun selbst so lauthals selbst loben, hatten weder vor der Gemeinderatssitzung noch während der Gemeinderatssitzung irgendeine der kritischen Sachfragen der Bürgerinitiative beantworten können. Es sind die gleichen politischen Kräfte, die nun einen schlechten Kompromiss schönreden, die seit mindestens 2004 in einer merk- und denkwürdigen Weise durch eines der größten Stadtentwicklungsprojekte stolpern und sich auch immer wieder vom Investoren STRABAG haben vorführen lassen.
Transparenz und Bürgerbeteiligung blieben dabei auf der Strecke. Vom konservativ-bürgerlichen Lager erwartet man ja nichts anderes, insofern sind sie bei der aktuellen Zustimmung zum STRABAG- Kompromiss ihrer Linie treu und damit auch berechenbar geblieben.
Vom links-bürgerlichen Lager hätte man aber etwas mehr Offenheit, Transparenz, Sachkunde und Kommunikationsfreude mit der Bürgerinitiative erwartet. Aber selbst die eigenen Bezirksbeiräte von Grün und GAL beschwerten sich in der Gemeinderatssitzung, dass sie nicht ausreichend und ehrlich informiert worden sind, weder von der Verwaltung noch von ihren eigenen Parteien und Gruppen.
Vier Sachpunkte sind beim angeblichen Kompromiss beachtlich:
- Der Baugroßkonzern STRABAG wird mit 1.000.000 Euro entlastet. STRABAG hätte sich ursprünglich bei der Umgestaltung der Bahnhofstraße und der Kurfürsten-Anlage in dieser Größenordnung beteiligen müssen, was nun vom Tisch ist.
- Hat STRABAG durch die Bebauungsplanänderung und die sonstigen Kompromisse tatsächlich noch einen wirtschaftlichen Verlust gehabt, der eine solche Entschädigung begründet? STRABAG verliert ca. 4.000 qm Wohn- und Nutzfläche, weil die Staffelgeschosse nicht gebaut werden dürfen. Gleichzeitig hat aber STRABAG Flächengewinne in der gleichen Größenordnung zu verbuchen: Die tiefere Baudichte im Gebäude MK 3, Überbauung des Innenhofs von MK 2, statt MK 3 und vor allem das heftig kritisierte 6. Stockwerk des Justizzentrums. Dieses wurde als Gegenleistung für die niedrigere Bebauung bei den anderen STRABAG – Gebäuden genehmigt. Jeder der einen Bauplan versteht, mit Metermaß umgehen und rechnen kann, hat schnell erkannt, dass STRABAG eigentlich keine Flächennachteile entstehen, wenn die Staffelgeschosse nicht gebaut werden dürfen. Warum schiebt man also dem Bauinvestor 1 Mio. Euro in die eh schon gut gefüllte Tasche ?
- Zum Zeitpunkt des Grundstückerwerbs durch Züblin / STRABAG (Juli 2007) galt noch der alte Bebauungsplan mit einer Traufhöhe von 15 Meter. Also kann sich STRABAG nicht ausschließlich auf den neuen Bebauungsplan berufen, um seinen angeblichen wirtschaftlichen Nachteil zu begründen.
- Die Behauptung von einigen GemeinderätInnen des bürgerlich-linken Lagers, dass STRABAG eine rechtliche Lücke beim Bebauungsplan ausgenutzt habe, um das Staffelgeschoss bauen zu können, ist falsch. Es gab keine rechtliche Lücke sondern die Verwaltung hat bewusst einen Bebauungsplan vom Gemeinderat beschließen lassen, der rechtlich das Staffelgeschoss zuließ. Nur hat man das der Öffentlichkeit verschwiegen. GemeinderätInnen sollten aber wissen, was sie beschließen und nicht über „rechtliche Lücken“ schwadronieren.
Diese Sachargumente, vorgetragen von der BI Lebendigen Bahnhofstraße weit im Vorfeld der Entscheidungen und dann nochmals im Gemeinderat, hat keinen der GemeinderätInnen interessiert, auch keinen, des sogenannten linken, bürgerlichen Blocks. Außer der „Bunten Linken“, die eine öffentliche Beratung und eine sachliche Begründung des sogenannten Kompromisses einforderte.
„Wer gute Argumente hat, braucht die Öffentlichkeit nicht zu scheuen.“
Mit dieser Bemerkung brachte die Bunte Linke ihre Kritik am Sachergebnis und am nichtöffentlichen Entscheidungsverfahren im Gemeinderat auf den Punkt und begründete damit u. a. ihren Antrag auf Zurückverweisung des Tagesordnungspunktes in einen öffentlichen gemeinderätlichen Entscheidungsverlauf.
Der Oberbürgermeister reagierte auf den Vortrag der Gemeinderätin Hilde Stolz in einer ungemein emotionalen und respektlosen Form : “Ich kann`s nicht mehr ertragen“ und erhielt dabei Beifall vom konservativen Block. Oberbürgermeister und Gemeinderat müssen aber lernen, die Bürgerschaft und deren Sachkritik zu ertragen.
Zweite Chance für das links-bürgerliche Lager….
Die nächste Runde um das leidige Thema Bahnhofstraße beginnt im Herbst: Der geänderte Vertrag mit STRABAG steht auf der Tagesordnung im Bezirksbeirat und im Gemeinderat und der neue Bebauungsplan muss beschlossen werden.
Das Bebauungsplanänderungsverfahren muss nun endlich vom Gemeinderat und der Heidelberger Stadtverwaltung in einer Form durchgeführt werden, die den Namen „ Bürgerbeteiligung“ verdient.
Nicht nur vom bürgerlich-linken Block erwarten wir deshalb eine radikale Kehrtwende im Umgang mit der kritischen Öffentlichkeit. Die Bebauungsplanänderung muss über die Reduzierung der Geschosshöhen hinaus gehen. Es liegen dazu konstruktive Vorschläge aus der Bürgerschaft vor, die in der „Zukunftswerkstatt Bahnhofstraße“ erarbeitet wurden. Diese müssen nun ernst genommen, öffentlich erörtert werden und in das Entscheidungsverfahren einfließen, so wie es neuerdings den BürgerInnen durch die modellhafte Bürgerbeteiligung versprochen wird.
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